Entwicklungstherapie/-pädagogik

Entwicklungstherapie/ Entwicklungspädagogik ETEP


Das von Frau Bergsson entwickelte Konzept zur systemischen Förderung der sozial-emotionalen Kompetenzen ist sehr umfangreich und die Ausbildung zum zertifizierten ETEP-Pädagogen benötigt in etwa ein Schuljahr (8 Schulungstage, 3 Unterrichtsbesuche).
Die LehrerInnen der Heinrich-Lüttecke-Schule haben diese Ausbildung durchlaufen und alle Klassenlehrpersonen nebst Schulleitung und einer Erzieherin des Nachmittags setzen die Element von ETEP in ihrer Arbeit ein.
Das Konzept ist mit das einzige, das für Schüler mit einem hohen emotional-sozialem Förderbedarf langfristig zu Verhaltensveränderungen führt. Im Bereich der Lernhilfe hat es sich in Einzelfällen bewährt (s.u.), aber die Grundhaltung der Pädagogen grundsätzlich verändert. Es soll an dieser Stelle in den Grundzügen erklärt werden, aber lediglich in den für unsere Schule relevanten Bereichen näher erläutert werden.


Grundidee

Die sozial-emotionale Entwicklung verläuft in Stufen, wie andere Entwicklungsbereiche auch. Sie wird in Unterbereiche geteilt und nach ETEP gibt es einzeln zu bestimmende Items, die Schüler in ihrer Entwicklung erreichen können (Stufen nach Alterspanne, denen bestimmte Bedürfnisse, Ängste, Interessen usw. zugeordnet werden können).
Die Sichtweise vom „unerzogenen Kind“ wechselt zum förderdiagnostischen Blickwinkel „Das Kind hat noch nicht den Reifegrad, um sich angemessen verhalten zu können“.
Mit Hilfe des Instruments ELDiB (entwicklungspädagogischer Lernzieldiagnosebogen) kann eine Einschätzung des sozial-emotionalen Entwicklungsstandes eines jeden Schülers vorge-nommen werden. Alle drei Monate können die Fortschritte auf Basis des Kompetenzrasters evaluiert und erweitert werden.


Die ermittelten Items werden als Ziele formuliert (z.B. „Ich verhalte mich so, dass sich alle in der Klasse wohl fühlen“). Es handelt sich nicht um Regeln, sondern lediglich Kompetenzen, die je nach Entwicklungsalter, vorhanden sind, oder eben noch nicht.
Die Items/ Ziele bauen aufeinander auf und es kann für jeden Schüler/ die Gruppe ermittelt werden, in welchem Bereich er/ sie sich befindet. „Die Zone der nächsten Entwicklung“ ist das nächste Ziel, welches erst verlassen werden kann, wenn der Schüler/ die Gruppe es sicher erreicht und zeigen kann.


An unserer Schule mit dem Förderschwerpunkt Lernen liegen viele Kinder in ihrem emotional-sozialen Verhalten hinter ihrem eigentlichen Lebensalter zurück. Dieses ist der Grund, warum sie z.B. immer wieder in Konflikte geraten oder ein bestimmtes Arbeits- und Sozialverhalten noch nicht zeigen können. Hierdurch „behindern“ sie sich im Lernen oder stören die Gruppe, bei einer ohnehin unter dem Schnitt liegenden intellektuellen Leistungsfähigkeit.


Weiß der Lehrer, auf welchem Stand sich ein Schüler/ die Gruppe befindet, richtet er seinen Unterricht nach den Zielen aus und gibt den SchülerInnen Gelegenheit, genau diese Ziele zu erreichen (z.B. „Ich erkläre anderen eine Aufgabe“ oder „Ich sage, was mir gut gelungen ist“; der Unterricht sollte/ muss entsprechend Gruppenarbeiten oder Präsentationen bzw. Reflexionen im Verlauf beinhalten). Zeigt ein Schüler/ die Gruppe das angestrebte Verhalten, wird dieses deutlich gespiegelt und konkret benannt, ohne Wertung, also kein Lob im eigentlichen Sinn. Der Schüler/ die Gruppe soll sich lediglich bewusst werden, dass er gewünschtes Verhalten gezeigt, bzw. sein Ziel erreicht hat.


Generell wird im entwicklungspädagogischen Unterricht großen Wert darauf gelegt, dass die Unterrichtsstruktur den grundlegenden entwicklungspädagogischen Prinzipien folgt:

  • von den Särken ausgehen
  • der Entwicklungslogik folgen,
  • Freude und Erfolg sichern,
  • für relevante Erfahrungen sorgen.

Beachtet man diese Kriterien, führt jeder Unterricht unweigerlich zu guten Ergebnissen,
die die Schüler darin bestärken, positiv weiter zu arbeiten. Hat der Unterricht eine echte Bedeutung für Kinder und Jugendliche, spricht sie emotional an, nutzt ihre Stärken, weckt ihre Neugier und ihr Interesse, wird er so angelegt, dass sie weder über- oder unterfordert fühlen, sind sie bereit, sich entsprechend positiv in den Unterricht einzubringen und können ihr Verhalten weiter entwickeln.


Beispiel

Früher bestand der Kunstunterricht aus einem festen Thema und es gab 80 Minuten Zeit, ein weißes Blatt zu füllen. Viele SchülerInnen hatten kein Material dabei (1.Störung), äußerten ihren Unmut über Thema oder Technik (2.Störung), arbeiteten halbherzig-unsauber (Steigerung des Unmuts) und waren nach kurzer Zeit „fertig“ mit einem mageren Ergebnisse. Sie beschäftigten sich mit anderen Dingen, ärgerten andere, riefen in den Raum, standen auf und zeigten in jeglicher Hinsicht unerwünschtes Verhalten. Die Lehrerin war frustriert, „richtige Bilder“ bekam sie von zwei bis drei SchülerInnen und der Rest eine schlechte Note.


Nach der Schulung wählt die Lehrerin Themen für Bilder mit einem „hohen Gelingensgrad“ aus, die in Technik und Inhalt zur Entwicklungsstufe der Gruppe passten. Die Stunde startet mit Ritualen, Visualisierungen und Orientierungen zu Ablauf, Organisation und Inhalt; sie beinhaltet Wahlmöglichkeiten zwischen zwei Themen und Techniken und jede Stunde tritt ein Thema hinzu, so dass jeder Schüler seine eigene Arbeitsphase anhand der Vorgaben gestaltet. Innerhalb eines festen Zeitraumes soll er 80% der gestellten Aufgaben bewältigen (z.B. bis zu den nächsten Ferien acht von zehn Bildern anfertigen).
Die Beurteilungskriterien werden von der LehrerIn klar benannt (Pro Bild zwei verbindliche Aspekte, z.B. von hell zu dunkel; erst den Hintergrund mit Wasserfarbe malen, dann etwas im Vordergrund aufbringen). Der gesamte Ablauf der Stunde wird mit Bildkarten an der Tafel visualisiert und auch die benötigten Materialien werden angezeigt, damit in den Phasen möglichst wenig Redeanteile nötig werden.


Das Material sollte von den SchülerInnen mitgebracht werden (was von Seiten des Lehrers benennend festgestellt wird, wenn es so ist). Der Jugendliche bekommt jedoch Dinge gestellt, wenn er bestimmte Regeln für die Nutzung einhält und wird nicht mit Sanktionen belegt, darf also immer an der Stunde teilnehmen.
Bei Lerngruppen mit schwierigem Verhalten, kommt ETEP direkt zum Tragen, da zu Beginn die zuvor per EldiB ermittelten Klassenziele genannt werden und am Ende der Stunde jeder sein Verhalten in der Gruppe dementsprechend für die letzten siebzig Minuten reflektiert („Was habe ich heute konkret wie erreicht?).
Lerngruppen, die bereits recht angemessen handeln, reflektieren auf der Sachebene zum Kunstthema, nachdem zuvor aufgeräumt wurde und ein Break/ Energizer (Bewegung, Spaß, Konzentration, Stimme o.ä.) den Arbeitsteil abgetrennt hat.


Ausblick

Während der Ausbildung und der Anwendung des Konzepts ist uns Kollegen aufgefallen, wie sinnvoll ETEP ist, welches nicht wirklich in Reinform in den Klassen mit Förderbedarf Lernen angewandt wird. Aber die Grundhaltung eines jeden Pädagogen wird sich ggü. dem Verhalten von Schülern erweitern, wenn er die Inhalte kennt und Elemente und Techniken dieses Konzepts nutzt.

Unsere Schule legt großen Wert darauf, dass sich neu hinzu kommende KollegInnen zu ETEPädagogen zertifizieren lassen, bzw. sich alternativ durch Fortbildung und Hospitation diesbezüglich weiter bilden.


Bad Arolsen, Februar 2018